04/03/2002 Berliner Zeitung
Damir Fras

Sfor soll Druck auf bosnische Serben erhöhen Internationaler Bosnien-Verwalter Petritsch fordert Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher

BERLIN, 1. April. Der internationale Verwalter für Bosnien-Herzegowina, Wolfgang Petritsch, hat einen stärkeren Einsatz von Armee und Geheimdiensten bei der Suche nach mutmaßlichen Kriegsverbrechern auf dem Balkan gefordert. Es müssten Informationen darüber gesammelt werden, wie die Gesuchten seit Jahren ihre Flucht finanzierten. “Den Leuten muss man den Geldhahn effektiver als bisher zudrehen”, sagte Petritsch im Gespräch mit der “Berliner Zeitung”.

Zwei Hauptverantwortliche für den Krieg in Bosnien-Herzegowina, Radovan Karadzic und Ratko Mladic, stehen seit mehr als fünf Jahren auf den Fahndungslisten des UN-Kriegsverbrecher-Tribunals in Den Haag. Ihnen wird vor allem die Verantwortung für das Massaker an mehreren tausend bosnischen Muslimen im Sommer 1995 in Srebrenica vorgeworfen. Der frühere Anführer der bosnischen Serben, Karadzic, soll sich im unwegsamen Ostbosnien aufhalten.

Kritik an Politikern des Westens Mladic wurde zuletzt in Belgrad vermutet. Unklar ist, ob er unter dem Schutz der jugoslawischen Armee steht. Alle Versuche der internationalen Schutztruppe Sfor in Bosnien, Karadzic zu finden, schlugen bislang fehl. Erst vor kurzem endeten zwei Kommandoaktionen, an denen sich mehrere hundert Soldaten beteiligten, ergebnislos.

Petritsch kritisierte in diesem Zusammenhang die anfängliche Scheu der Politiker in Westeuropa, die Sfor-Truppe mit dem notwendigen Mandat für eine Festnahme von Karadzic auszustatten. “Erst seit einigen Monaten hat sich in den europäischen Hauptstädten die Erkenntnis durchgesetzt, dass man erst dann an Befriedung von ganz Bosnien denken kann, wenn die Symbolfiguren Karadzic und Mladic verhaftet sind”, sagte Petritsch. Obwohl Karadzic durch die jüngsten Sfor-Aktionen bereits mehr als in den vergangenen Jahren unter Druck geraten sei, müsse sich die Sfor noch stärker engagieren. “Dazu bedarf es aber auch des politischen Willens in Europa”, sagte der österreichische Diplomat. Heftige Kritik übte Petritsch an der politischen Führung in der bosnischen Serben-Republik. Außer “rhetorischen Bekenntnissen” zur Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal gebe es keine Bereitschaft “zu einer aktiven Beteiligung” an der Festnahme der Gesuchten. “Ich möchte einfach einmal die Polizei der Republik Srpska in Aktion sehen”, sagte Petritsch. Den bosnischen Serben müsse bewusst sein, dass sie in “völlige Isolation” geraten könnten. “Solange es noch Unterstützung für Karadzic gibt, wird es keine Investitionen von außen und damit keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben. ” Keine Freiwilligen Die bosnisch-serbische Regierung erklärte am Montag, auch einen Monat nach ihrem Aufruf hätte sich keiner der wegen Kriegsverbrechen angeklagten Serben dem UN-Tribunal gestellt. Eine Frist, dies freiwillig zu tun, sei am Sonntag verstrichen, sagte der Leiter des Büros für die Zusammenarbeit mit dem Tribunal, Dejan Miletic. Allerdings gelang es der Sfor, den bosnischen Serben Momir Nikolic festzunehmen. Er wird nach Nato-Angaben verdächtigt, an der “systematischen Hinrichtung von bosnischen Moslems” in Srebrenoca beteiligt gewesen zu sein.

Die Regierung der bosnischen Serbenrepublik hatte im März den Angeklagten angeboten, im Gegenzug für eine freiwillige Überstellung Garantien für eine baldige Haftverschonung zu geben. Vertreter des UN-Tribunals in Den Haag äußerten sich nicht dazu. (mit dpa, AFP)

Schweres Amt // Im Juni 1999 wurde Wolfgang Petritsch als Nachfolger des Spaniers Carlos Westendorp zum Hohen Beauftragten der EU für Bosnien-Herzegowina ernannt.

Petritschs Aufgabe ist es, den in Dayton ausgehandelten Friedensvertrag in die Praxis umzusetzen und eine echte Kooperation zwischen der moslemisch-kroatischen und der serbischen Teilrepublik in Bosnien-Herzegowina zu erreichen.

Unterstellt ist ihm dafür eine EU-Behörde von etwa 800 Mitarbeitern. Im Juni 2001 wurde Petritschs Amtszeit um ein weiteres Jahr verlängert.

REUTERS/DAMIR SAGOLJ Wolfgang Petritsch: “Ich möchte einfach einmal die Polizei der Republik Srpska in Aktion sehen. “