22.12.2001 Sueddeutsche Zeitung
Bernhard Küppers

Sueddeutsche Zeitung: Petritsch:”Bosnien ist noch schwach”

Der internationale Bosnien- Beauftragte Wolfgang Petritsch sieht sich im Gefolge der weltweiten Terror- Bekämpfung unerwartet in einem seiner wichtigsten Ziele bestärkt: der Staatsbildung in dem ethnisch geteilten ehemaligen Kriegsgebiet. Während die Amerikaner bei der Nato auf eine Verminderung der Friedenstruppen auf dem Balkan dringen, stößt Petritsch in Washington auf Verständnis für das, was er seine „Staatsbildungsphilosophie” nennt. Sein Engagement dafür hat sich schon in einen gesamtbosnischen Grenzdienst und neue Ministerien der Zentralregierung in Sarajewo niedergeschlagen.

Nach der Intervention gegen die Herrschaft der Taliban in Afghanistan sei manchem seiner Kritiker klar geworden, „dass man sich mit einem solchen Eingreifen unweigerlich in einen mühsamen Staatsbildungsprozess einklinkt”, sagte Petritsch der Süddeutschen Zeitung. Bosnien aber sei noch immer ein „schwacher Staat” ohne ausreichend funktionierende Institutionen und darin Afghanistan ähnlich.

Der ehemalige Botschafter in Belgrad und Kosovo-Unterhändler der EU kennt Südosteuropa besser als seine Vorgänger in Bosnien, Carl Bildt und Carlos Westendorp. Kaum weniger als jene verstrickte er sich jedoch in die Kompetenzstreitigkeiten, wie zwischen seiner koordinierenden Behörde, dem Amt des Hohen Repräsentanten und den Missionen der UN unter dem ideenreichen Amerikaner Jacques Klein oder auch der OSZE. Auf einer Berliner Beratung der mit Bosnien beschäftigten Europäer wurde vergangenes Frühjahr der Ruf nach einer Verschlankung der internationalen Präsenz geboren. Anfang Dezember billigte der Lenkungsausschuss der in Bosnien engagierten Staaten und Organisationen ein Modell Petritschs im Großen und Ganzen. Die UN-Mission läuft mit dem Jahr 2002 aus. Für die UN-Polizeimonitore wird die EU oder OSZE zuständig werden. Letztere ist nicht länger Organisator von Wahlen in Bosnien.

Vor Jahresmitte soll der Österreicher Petritsch durch den britischen Liberaldemokraten Paddy Ashdown abgelöst werden. Petritsch wird Wiener Botschafter bei den internationalen Organisationen in Genf.